Der Mythos vom Supermond
Aus der Kategorie Mystisches | Geschrieben von: Anna Wessel, 2024
Hat er wirklich die ihm zugeschriebene geheimnisvolle Wirkung auf uns?
Die Faszination mit dem Vollmond ist groß. In unserer nach Superlativen strebenden Gesellschaft ist es daher nicht ungewöhnlich, dass wir auch hier nach einem noch beeindruckenderen Exemplar gesucht und es im sogenannten Supermond gefunden haben. Doch was ist der Unterschied zwischen dem Supermond und einem "normalen" Vollmond? Und hat dieser wirklich die ihm zugeschriebene geheimnisvolle Wirkung auf uns?
Ein Vollmond über den Bergen
Die erste Frage ist zunächst relativ einfach beantwortet: Ein Supermond ist ein Vollmond oder Neumond, der höchstens 360 000 Kilometer vom Erdmittelpunkt entfernt ist. Im Vergleich spricht man hingegen von einem Minimond, wenn dieser 405 000 Kilometer entfernt ist. Existierende Berechnungen basieren ausschließlich auf diesen Grenzwerten. Es gibt keine offizielle Definition, denn der Begriff Supermond ist in der Astronomie kein wissenschaftlich anerkannter Begriff. Das Wort wurde 1979 vom Astrologen Richard Nolle geprägt, welcher der Überzeugung war, der Supermond würde Vulkanausbrüche, Erdbeben und andere Naturkatastrophen auslösen.
Mit der geringsten Entfernung zur Erde ist dabei der erdnächste Punkt gemeint, den der Mond in diesem Zyklus durchläuft, das sogenannte Perigäum, welches er im Schnitt alle 27,55 Tage passiert. Fällt dieses mit einem Vollmond zusammen, sprechen wir vom Supervollmond. Dieser erscheint uns dann etwa 7% größer und 30 % heller als ein durchschnittlicher Mond. Besonders spektakulär anzusehen ist er dann, wenn er kurz vor oder direkt nach Aufgang über dem Horizont steht und uns durch den wahrnehmungspsychologischen Effekt der Mondtäuschung noch größer vorkommt. Letztlich unterscheidet er sich aber nur geringfügig von einem herkömmlichen Vollmond.
Ein spektakulärer Mondaufgang hinter Bäumen.
Um die zweite Frage, nämlich die nach der mystischen Wirkung dieses Phänomens, zu beantworten, schauen wir uns die 10 bekanntesten Gerüchte, die sich um den (Super)Vollmond ranken, am besten im Einzelnen an.
Mythos 1: Bestimmte Dinge sollten bei Vollmond verrichtet werden.
Falsch! Ob Ernährung, Gartenarbeit, Friseur- oder Arztbesuch - zahlreiche Mondkalender und -bücher zum Thema Leben mit und nach den Mondphasen möchten uns vermitteln, dass der richtige Zeitpunkt das ausschlaggebende Element in unserem täglichen Leben ist. Eine wissenschaftliche Grundlage dafür gibt es jedoch nicht. Der Mond bleibt immer die selbe weit entfernte Gesteinskugel, egal ob voll oder nur halbvoll. Es ändert sich lediglich unsere Perspektive auf die von der Sonne beschienene Hälfte. Und auch das Mondlicht hat keine mystischen Kräfte, sondern ist einfach nur das reflektierte Licht der Sonne. Alles, was der Vollmond also laut Mondkalendern und Co. beeinflusst, müsste tagsüber die Sonne noch tausend Mal stärker tun. Auch entstammt dieses Wissen um den richtigen Zeitpunkt nicht wie propagiert einem jahrhundertealten Bauernwissen, sondern der sich um 1900 gründenden Esoterik und Anthroposophie, die es verstand, bestimmte Naturaberglauben wie die um den Vollmond geschickt zu vermarkten.
Mythos 2: Vollmond macht depressiv und die Zahl der Selbstmorde ist höher.
Falsch! Eine britische Langzeitstudie, welche in den Jahren 1971 bis 1988 untersuchte, in welchen Mondphasen sich Menschen aus London in Arztpraxen wegen Depressionen behandeln ließen, bestätigte, dass es keinen Zusammenhang zwischen Depressionen und dem Vollmond gibt. Auch nicht belegt ist die Zunahme von Selbstmorden oder auch Verkehrsunfällen und Morden. Dies ist ein Irrglaube, der vermutlich aus einer Zeit stammt, in der es kein elektrisches Licht gab. Oft waren deshalb in hellen Vollmondnächten mehr Menschen draußen unterwegs und es kam dadurch natürlich auch vermehrt zu Suiziden und anderen Delikten bzw. Unfällen.
Der Vollmond geht über dem Meer auf
Mythos 3: Bei Vollmond kann es zu Springfluten kommen.
Korrekt! Lange schon ist wissenschaftlich bewiesen und allseits bekannt, dass der Mond Einfluss auf Ebbe und Flut hat. Je näher der Mond ist, desto höher ist auch die Gravitationskraft. Da der Supermond uns besonders nahe kommt, kann es demnach auch höhere Springfluten geben.
Mythos 4: Bei Operationen an Vollmondtagen gibt es öfter Komplikationen.
Falsch! Studien haben ergeben, dass die Mondphasen, egal ob Voll- oder Neumond, in keinem Zusammenhang zu Komplikationen bei Operationen stehen.
Mythos 5: Bei Vollmond schläft man schlechter.
Falsch! Bislang konnten Studien keinen Zusammenhang zwischen Vollmond und Schlaflosigkeit bestätigen. Lediglich eine im Jahr 2013 durchgeführte Studie der Universität Basel konnte bei Tests mit Probanden im Schlaflabor feststellen, dass die Tiefschlafphase bei Vollmond im Durchschnitt 30% kürzer ist. Allerdings kann dies auch auf die ungewohnte Umgebung zurückzuführen sein, der die Teilnehmer ausgesetzt waren. Dennoch kann es uns, dank selektiver Wahrnehmung, durchaus so vorkommen, als ob wir gerade in Vollmondnächten mit (Ein-)Schlafproblemen zu kämpfen haben: Schlechter Schlaf bei Vollmond ist eben auffälliger als in einer anderen Nacht und an das Besondere erinnern wir uns besser. Außerdem gibt es natürlich noch das Phänomen der selbsterfüllenden Prophezeiung. Wer sich abends mit dem Gedanken an Schlaflosigkeit ins Bett legt, den wird vermutlich auch genau diese heimsuchen.
Mythos 6: Bei Vollmond erleiden Epileptiker seltener einen Anfall.
Korrekt! Eine am University College in London durchgeführte Studie, bei der die Häufigkeit epileptischer Anfälle in den unterschiedlichen Mondphasen untersucht wurde, zeigte, dass bei Vollmond weniger Anfälle aufgezeichnet werden konnten. Grund hierfür ist offenbar das Hormon Melatonin, welches nur in der Nacht ausgeschüttet wird und Einfluss auf den Schlaf-Wach-Rhythmus des Menschen, den sogenannten zirkadianen Rhythmus, hat. Wie genau dies in Zusammenhang mit dem Vollmond steht, konnte bislang noch nicht abschließend geklärt werden.
Mythos 7: Bei Vollmond werden vermehrt Kinder geboren.
Falsch! Zwar behaupten Hebammen immer wieder, dass nach einem Vollmond tendenziell mehr Kinder zur Welt kommen, allerdings gibt es dafür keine wissenschaftlichen Belege.
Mythos 8: Bei Vollmond sind Schlafwandler besonders aktiv.
Falsch! Betroffene schlafwandeln unabhängig von der jeweiligen Mondphase. Es konnte kein wissenschaftlicher Zusammenhang nachgewiesen werden.
Der Mond wird von einem Wolf angeheult.
Mythos 9: Mäuse bleiben in ihren Löchern und Wölfe heulen den Vollmond an.
Korrekt! Tatsächlich bleiben Feldmäuse bei Vollmond lieber in ihren Löchern. Das hat aber weniger mit Magie zu tun, sondern damit, dass die kleinen Nager natürlich genau wissen, dass sie im hellen Mondlicht schneller von Raubtieren gesehen werden können und daher lieber versteckt bleiben. Anders dagegen die Wölfe, welche umso aktiver werden, je heller es ist. Da die dämmerungs- und nachtaktiven Tiere immer in den Abendstunden heulen, jaulen sie folglich in Vollmondnächten umso intensiver und länger.
Mythos 10: Bei Vollmond gepflücktes Obst schmeckt besonders gut.
Falsch! Es gibt keine wissenschaftlichen Belege für den Einfluss des Mondes auf die Ernte. Allerdings gibt es auch deutsche Landwirte, die zum Beispiel sogenannte "Mondäpfel" anbieten.
Der Vollmond geht über einen Hügel auf.
Fazit unsererseits: Der Supermond ist für Mondliebhaber jeder Art einfach wunderschön anzusehen, poetische Inspiration und beliebtes Fotomotiv. Letztlich ist er jedoch auch nur ein etwas größerer Vollmond und keine Kraft, die unser Leben mystisch beeinflussen kann. Es sei denn natürlich, man möchte daran glauben. Und das ist ja nun jedem selbst überlassen.